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Die Kunst des Zuhörens

Viele Menschen machen sich während eines Gesprächs vor allem darüber Gedanken, was sie als nächstes sagen möchten. Statt aufmerksam zuzuhören, was die anderen sagen.

Eigentlich warten sie nur auf die nächste Gelegenheit, selber wieder sprechen zu können. Schließlich kommt „Gespräch“ ja von „sprechen“.

Und genau das tun sie dann auch. Sprechen. Meist über sich. Zum Beispiel, um uns ihre Erlebnisse mitzuteilen. Oder mit ihrem Wissen zu glänzen. Ihre Meinung zu äußern. Oder ihre Geschichte zu erzählen.

Statt erst einmal zuzuhören. Und abzuwarten, was die anderen denn zu sagen haben.

In solchen Gesprächen geht es zu wie in einer schlechten Band, die nur aus Solisten besteht – Solisten, die nicht miteinander spielen, sondern nebeneinander, weil jeder mit seinem eigenen Solo beschäftigt ist, statt sich gegenseitig so zu verstärken, dass ein gemeinsames Meisterwerk entsteht.

Und so werden solche Gespräche zu einem Nebeneinander von Erzählfetzen, die im besten Fall lose zusammengehalten werden durch ein Thema (die schlimmsten Arztbesuche, die nervigsten Kunden, Politik, Sport, etc.), das aber von einer Sekunde auf die andere wechseln kann, weil irgendjemand sich an irgendeine neue Situation erinnert fühlt („Mir ist mal was ganz ähnliches passiert …“) und dann ab in das nächste Solo taucht, das so rein gar nichts mit dem vorherigen Solo zu tun hat.

Jeder wartet also auf seinen Einsatz. Und wir warten vergeblich darauf, dass das Gespräch irgendwo hinführt.

Das kann es natürlich nur, wenn wir bereit sind, unsere eigene Richtung zu ändern. Wenn wir nicht bloß darauf warten, selbst ans Steuer zu kommen, sondern Rücksicht darauf nehmen, wohin die anderen reisen wollen.

Im besten Fall kommen wir dann sehr viel weiter, als es jeder von uns alleine könnte. Weil wir gemeinsam ein Thema erkunden, es vertiefen, ergänzen, hinterfragen und durchdringen.

Dialog heißt reden und reden lassen. Senden und empfangen. Insbesondere aber: Sprechen und zuhören.

Ohne Zuhören geht es nicht.

Zuhören ist dabei mehr als nur Warten auf den eigenen Einsatz. Zuhören bedeutet Anteil zu nehmen, mitzufiebern, mitzufühlen. Aber auch: Fragen zu stellen. Es genauer wissen zu wollen. Tiefer zu bohren.

Wer immer nur damit beschäftigt ist, was man als nächstes sagen will, kann all das nicht. Ich kann nicht gleichzeitig an meinem eigenen Solo schrauben und offen sein für das, was die anderen spielen. Denn dazu müsste man genau auf den anderen hören, statt sich starr auf das zu konzentrieren, was man gleich loswerden will. Nicht umsonst meint Ausnahme-Gitarrist Pat Metheny, dass großartige Musiker vor allem großartige Zuhörer sind. („The best musicians are not the best players, they’re the best listeners.“)

Gute Gespräche führen irgendwo hin und sie gelingen durch die Bereitschaft zum echten Zuhören – einer Art von Zuhören, die sich einlässt auf das, was gesagt wird, und die versucht es zu verstehen und zu hinterfragen: Wie meint sie das? Wohin führt uns das? Das will ich genauer wissen!

Letztlich ist das auch vor allem erst einmal höflich.

Manchmal kann es sogar bedeuten, erst einmal gar nichts zu sagen. Dem oder der anderen einfach den Raum zu geben, den sie brauchen.

Wer die Geduld hat richtig zuzuhören, signalisiert damit anderen, dass man bereit ist, sich auf sie einzulassen. Und das wiederum ermöglicht den anderen, sich zu öffnen, die richtigen Worte zu suchen und sie auch zu finden, weil sie nicht ständig unterbrochen werden und das Gespräch in eine andere Richtung gelenkt wird. Erst durch dieses Vertrauen, dass da jemand geduldig – und bedingungslos – zuhört, ist es manchmal möglich auch Dinge auszusprechen, die man sich sonst scheut zu sagen, weil man sich fragt: Wollen die das hören? Interessiert das überhaupt jemanden? Was denken die wohl darüber?

Gute Zuhörer haben die Bereitschaft, sich auf neue Gedanken einzulassen. Sie hören nicht nur die Stichworte, die Sprungbrett für die nächste eigene Geschichte sind. Sie suchen nicht nur Bestätigung für das, was sie selbst gesagt haben, sondern nehmen gerade die Zweifel und Fragezeichen wahr.

Dialog erfordert die Offenheit, anders aus einem Gespräch herauszugehen, als man hineingegangen ist. Wer immer nur damit beschäftigt ist, möglichst schnell Antworten zu geben, übersieht, dass das Warten auf eine überlegte Frage ein Gespräch oft viel weiter bringt, als die schnelle Antwort. Schlagfertigkeit ist in diesem Sinne überbewertet, denn sie zielt meist mehr auf den eigenen Ruhm, als auf die gemeinsame Erkenntnis.

In gelungenen Gesprächen haben wir die Chance, etwas zu lernen. Wir können wachsen, motiviert werden, zu neuen Ufern aufbrechen. Und dabei aufrichtig am Leben und den Gedanken der anderen teilhaben. Dabei sollten wir einander verstärken statt uns zu übertönen, gemeinsam beschleunigen statt uns gegenseitig zu überholen.

Dazu braucht es Pausen und die Fähigkeit abzuwarten. Pausen schaffen den Resonanzraum, in dem meine Gesprächspartner nachdenken, assoziieren und vergleichen können. Wir müssen Stille aushalten, damit nicht jeder Gedanke unseres Gegenübers im eigenen Redefluss erstickt.

Wenn wir den Raum ohne Punkt und Komma mit Information füllen, können wir das Wichtige nur schwer vom Unwichtigen unterscheiden. Es fehlt der Platz zum Atmen und zur Reflektion.

Die Kunst des guten Gesprächs ist deswegen immer auch eine Kunst des geduldigen Wartens … denn nur dabei können wir diesen Raum geben und aufmerksam zuhören.

Dieser Text ist ein (leicht bearbeiteter) Auszug aus dem Buch „Schöner Warten” von Armin Nagel mit Texten von Dr. Michael Gerharz und vielen anderen. Wir alle warten jeden Tag und empfinden es meist als unangenehm. Das Buch liefert einen inspirierenden Perspektivwechsel und zeigt, wie wertvoll die Kunst des Wartens sein kann, nicht nur beim Zuhören. Zu Wort kommen u.a. Hebammen, Zeitforscher, eine Supermarktchefin, ein Freizeitparkbetreiber, Bestatter, aber auch Comedians, Autoren und viele mehr. Mehr dazu auf der Webseite zum Buch ist: warteberater.de.

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