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Bücherliste 2016: „Werner Herzog: A Guide for the Perplexed“, Conversations with Paul Cronin

I felt it would be better to make a film than go to film school.

Ich habe nicht einmal viele Filme von ihm gesehen. Dennoch zog mich Werner Herzogs Biographie „A Guide for the Perplexed“ im letzten Jahr magisch an. Ich wurde nicht enttäuscht.

In Form eines Interviews erzählt Herzog seinem Co-Autor Paul Cronin über sein Leben und seine Sicht der Dinge. Dass beides nicht gewöhnlich ist, ahnt man selbst dann, wenn man nur einen seiner Filme kennt.

Unerschrocken könnte man ihn nach der Lektüre nennen. Oder würde „besessen“ besser passen? Verrückt?

Mit einem gebrochenen Bein unter New Yorks Brücken hausen, nach Mexiko fliehen, dort beim Rodeo anheuern, ohne jemals auf einem Pferd gesessen zu haben. Sich beim Dreh im Dschungel von panischen Affen, die er vorher am Flughafen unter Vortäuschung einer falschen Identität in letzter Sekunde vor Tierdieben gerettet hat, in die Schulter beißen lassen ohne aufzuschreien, weil der Ton sonst ruiniert wäre. Eine Tausendschaft Ratten in den Straßen frei lassen und sich selbst dazwischenstellen, weil keiner der Schauspieler bereit dazu war.

Nein, normal ist Herzogs Leben und Schaffen wirklich nicht. Verrückt aber auch nicht. Besessen vielleicht. Fokussiert. Konsequent. Meinungsgetrieben.

I find the notion of happiness rather strange. […] I try to give meaning to my existence through my work. That’s a simplified answer but whether I’m happy or not really doesn’t count for much.

Für ihn ist Filmemacher kein Traumberuf. Es ist der einzige Beruf. Nur dieser Beruf kam für ihn Frage. Ob Traum oder nicht, spielte keine Rolle. Machen. Nicht um Erlaubnis fragen. Pragmatisch sein. Lieber klein anfangen, als gar nicht. Grenzen überschreiten. Die verfügbaren Mittel kreativ nutzen, um mehr herauszuholen, als andere sich überhaupt vorstellen können. Das sind Prinzipien, die sich in seinem Leben wiederholen:

The best advice I can offer to those heading into the world of film is not to wait for the system to finance your projects and for others to decide your fate. If you can’t afford to make a million-dollar film, raise $10,000 and produce it yourself. That’s all you need to make a feature film these days.

Und weiter:

Three things – a phone, computer and car – are all you need to produce films. Even today I still do most things myself. Although at times it would be good if I had more support, I would rather put the money up on the screen instead of adding people to the payroll.

Und dabei nicht so sehr auf andere schauen, sondern dem eigenen Urteil vertrauen. Eigene Maßstäbe anlegen. Die eigenen Geschichten erzählen, auf die eigene Weise. Von den anderen gibt es ja bereits genug:

I love cinema, but unlike other filmmakers who spend their lives watching other people’s films […] I don’t feel the necessity to see three films a day. Three good ones a year are enough for me. I average maybe one film a month, and that’s usually at a festival where I see all of them at once. […] I can’t imagine my work would be any better or worse if I crawled into a darkened room and spent days watching other people’s efforts.

Ein faszinierender Blick in ein ungewöhnliches Leben und ein Blick hinter die Kulissen ungewöhnlicher Werke.

Bücherliste 2016: „The Anatomy of Story“ von John Truby

Warum fesseln manche Geschichten und andere nicht? John Truby gibt in seinem Buch „The Anatomy of Story“ Antworten.

Nach der Lektüre des Buches schaut man Filme mit anderen Augen. Mit einer Art Röntgenbrille. Man sieht durch die Handlung durch und erkennt das Gerüst, auf dem der Film steht. Man erkennt, warum das Drehbuch so und nicht anders konstruiert ist, wie die Handlungsstränge so verwoben wurden, dass sie am Ende alle zusammen laufen, warum die Nebenrollen genau so und nicht anders gewählt wurden. Wie Held und Gegenspieler zwei Pole der selben Sache sind.

Für Truby ergibt sich all das aus der „Prämisse“ des Filmes. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um das Drehbuchäquivalent für das, was ich bei Präsentationen immer den Küchenzuruf nenne. Der eine Satz, der den ganzen Film auf den Punkt bringt. Aus dieser Prämisse leitet sich alles andere ab: Der Held, seine Schwächen, seine Gegner, die entscheidenden Handlungen, die Welt, in der die Handlung spielt usw.

Im Zentrum von Trubys Thesen steht das, was er „organische Geschichten“ nennt. Damit meint er Geschichten, die sich aus sich selbst heraus ergeben. Die zwar konstruiert sind, aber nicht konstruiert wirken, weil sich jede Entscheidung, die während der Konstruktion getroffen wird, aus der Prämisse und den vorherigen Entscheidungen ergibt. Weil z.B. nur dieser Held diese Herausforderung annehmen kann, oder dieser Held genau diesen Gegenspieler braucht, um sich seiner Schwächen bewusst zu werden und sie zu überwinden.

You construct a story from hundreds, even thousands, of elements using a vast array of techniques. Yet the story must feel organic to the audience; it must seem like a single thing that grows and builds to a climax. If you want to become a great storyteller, you have to master this technique to such a high degree that your characters seem to be acting on their own, as they must, even though you are the one making them act that way.

In this sense we storytellers are a lot like athletes. A great athlete makes everything look easy […] But in fact he has so mastered the techniques of his sport that his technique has simply disappeared from view, and the audience sees only beauty.

Um ein Drehbuch zu schreiben, das diesem Ziel gerecht wird, ist die wichtigste Entscheidung laut Truby gleich die allererste, die man überhaupt treffen muss. Und sie ist 1:1 übertragbar auf Präsentationen:

Step 1: Write Something That May Change Your Life

This is a very high standard, but it may be the most valuable piece of advice you’ll ever get as a writer. I’ve never seen a writer go wrong following it. Why? Because if a story is that important to you, it may be that important to a lot of people in the audience. And when you’re done writing the story, no matter what else happens, you’ve changed your life.

Besonders anschaulich sind die zahlreichen Beispiele, mit denen Truby seine Analysen an berühmten Filmen aufzeigt. Seine Empfehlungen sind durchaus konkret, aber doch allgemein genug, um nicht auf ein Genre oder gar auf Drehbücher beschränkt zu sein. Sie sind bestimmt, aber nicht dogmatisch.

Das Buch ist ein Arbeitsbuch. Die Zielgruppe sind Autoren. Für jemanden, der einen Leitfaden für seine nächste Präsentation sucht, ist es nicht zu empfehlen. Aber für diejenigen, die verstehen wollen, wie Spannung entsteht, wie ein befriedigender roter Faden gesponnen wird, für diejenigen, die über den Tellerrand ihres Faches blicken möchten und ein tieferes Verständnis für gute Geschichten suchen, für die liefert das Buch einen reichen, manchmal aber auch zähen, weil arbeitsreichen Schatz an Erkenntnissen.

Diese Erkenntnisse haben Vor- und Nachteile. Sie nehmen dem Vergnügen des Filmschauens ein wenig die Unbeschwertheit. Sie machen das Filmschauen bewusster. Sie nehmen den vermeintlich „unerwarteten“ Wendungen die Unschuld, weil man klar erkennt, wie sie konstruiert sind. Aber gleichzeitig machen sie die wahrlich schönen, spannenden, interessanten Filme noch faszinierender, weil man benennen kann, wie die Schönheit entsteht. Sie geben die Befriedigung, tiefer zu blicken und mehr in dem Film zu entdecken.

Stories don’t show the audience the “real world”; they show the story world. The story world isn’t a copy of life as it is. It’s life as human beings imagine it could be. It is human life condensed and heightened so that the audience can gain a better understanding of how life itself works.

Der Konflikt zwischen vorher und nachher

Vor Ihrem Vortrag glaubt das Publikum etwas, danach etwas anderes. Erst wenn es einen fundamentalen Unterschied dazwischen gibt, dann gibt es auch einen Grund für Ihre Präsentation.

„Warum irren Sie mit Ihrer bisherigen Einschätzung der Lage?“

„Wieso ist mein Produkt anders als alles, was Sie bisher kennen?”

„Warum ist der Durchbruch, den wir mit dem neuen Algorithmus erreicht haben, bemerkenswert?”

„Was steckt wirklich hinter den Quartalszahlen?“

„Warum ist dieses Phänomen ein äußerst spannendes Forschungsthema?“

„Warum kommt es bei der Entscheidung für einen Zulieferer auf ganz andere Kriterien an, als Sie bisher dachten?“

„Warum müssen wir dringend die Strategie korrigieren, obwohl doch alle Kennzahlen blendend aussehen?“

Der Konflikt zwischen dem Vorher und dem Nachher ist die Basis für alles andere. Er bestimmt den Anfang und das Ende des Vortrags. Wo hole ich meine Zuhörer ab? Wohin muss ich sie bringen? Welche Hindernisse müssen wir dabei überwinden?

Ohne den Konflikt zwischen dem Vorher und dem Nachher gibt es keine Spannung, keine Dramaturgie, keine Emotionen. Warum sollten die Zuhörer zuhören, wenn alles so wäre, wie sie es vorher erwarten?

Erst wenn die Zuhörer nach dem Vortrag mehr wissen als vorher, lohnt die Zeit, die sie für’s Zuhören investieren.

Erst wenn die Zuhörer nach dem Vortrag verändert sind, lohnt sich die Zeit, die Sie in die Vorbereitung stecken.

Manchmal ist es bloß ein entscheidender Satz, der das Publikum ins Grübeln bringt. Aber die Veränderung muss stattfinden. Und sie gründet sich auf den Konflikt zwischen dem Vorher und dem Nachher.

Anfang und Ende

Eine Präsentation beginnt am Anfang und endet am Schluss. Außer sie tut es nicht. Wie die meisten Präsentationen. Ihre?

In jeder notwendigen Präsentation geht es um Veränderung: Der Vorstand soll das Problem erkennen. Die Kunden sollen Ihr Produkt kaufen. Die Mitarbeiter sollen verstehen, wie das Unternehmen dasteht. Die Menschen sollen sich bewusster ernähren.

In jedem Fall sollen Menschen nach Ihrem Vortrag die Welt (in dem betreffenden Ausschnitt) anders sehen als vorher. Und genau diese Veränderung bestimmt Anfang und Ende Ihrer Präsentation. Wenn das Publikum den Raum betritt, dann hat es eine Sicht auf die Welt, nach dem Vortrag eine andere. Sie holen es am einen Punkt ab, dem Anfang, und liefern es am anderen ab, dem Ende.

Daraus folgt unmittelbar, dass sich der Anfang Ihrer Präsentation nicht um Sie dreht (z.B. in Form Ihrer Unternehmensgeschichte, Organisationsstruktur, Portfolio), sondern um das Publikum. Es soll erkennen: Hier bin ich richtig. Das betrifft mich. Der meint mich.

Das Ende Ihres Vortrags ist genau der Punkt, an dem die Veränderung erreicht ist. Also insbesondere nicht der Satz »Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit«. Auch nicht die nochmalige Aufzählung Ihrer Kernaussagen. Es ist der Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt, weil Sie das Publium zum zwingenden »Aha« geführt haben.

Voraussetzung dafür ist natürlich: Sie haben ein Aha, kennen es selbst und wissen, was es mit dem Publikum zu tun hat.

PowerPoint im Konzertsaal

Franz Liszt, Klaviersonate in h-moll. Der Beamer ist startklar, PowerPoint läuft. Folie 1/Agenda: Exposition, Langsamer Satz, Scherzo, Reprise. Dann kann’s richtig losgehen. Folie 2:

Beginn von Franz Liszts Klaviersonate in h-moll

Absurd, nicht wahr? Welcher Pianist würde im Konzert die Noten an die Wand projizieren? Das Publikum wäre sofort abgelenkt, wenn es versuchte, mitzulesen, statt sich auf den Fluss der Musik einzulassen.

Absurd, nicht wahr?

Bei Vorträgen gilt häufig das Gegenteil. Da erscheint es vielen absurd, die Noten nicht zu projizieren. Die in PowerPoint getippten BulletPoints sind jedoch meist nichts anderes als die Noten, die dem Redner helfen, seinen Vortrag in der richtigen Reihenfolge zu spielen. Nicht gedacht für die Zuhörer, sondern gemacht für den Redner. Schlimmer noch: Statt den Vortrag zu perfektionieren, investieren die Redner die Zeit in ein hübsches Layout der Noten. Oder sie fügen die Noten aus unterschiedlichen Stücken zusammen und biegen die Dramaturgie unter Ächzen und Krächzen zurecht, bis es halbwegs zusammenpasst.

Solange Sie keine Noten haben, die die Dimension des Vortrags erweitern, z.B. indem Sie durch ein Bild die richtigen Assoziationen schneller wecken, als Sie es mit Worten könnten, lassen Sie den Beamer lieber aus. Verstehen Sie mich nicht falsch: Perfektionieren Sie die Noten, so intensiv es Ihnen möglich ist. Aber zeigen müssen Sie sie nicht.

Allerdings: Wenn die Noten gut sind, dann wird der Vortrag möglicherweise (nicht notwendigerweise) noch viel besser durch die richtige visuelle Unterstützung. Dann können Sie den Beamer ruhig wieder anschalten.

Was passiert als nächstes?

Jede spannende Geschichte lebt letztlich von einer Frage: Was passiert als nächstes?

Zum Beispiel so: Werden sie entkommen? Wird sie ihm verzeihen? Wird er erwischt werden? Wird sie „ja“ sagen? Auf diese Weise fiebern wir in guten Geschichten mit den Helden mit.

Die Geschichte ist genau dann zu Ende, wenn die entscheidende Fage endgültig beantwortet ist, wenn also der Held entweder sein Ziel endgültig erreicht hat oder er dieses Ziel endgültig nicht mehr erreichen kann (letzteres nennt man eine Tragödie).

Das Entscheidende dabei ist, dass diese Antwort unwiderruflich ist. Star Wars ist zu Ende, als der Imperator tot ist, ins Verderben gestürzt von seinem schrecklichsten Gefolgsmann. Romeo und Julia ist zu Ende, als beide Selbstmord begangen haben; ihre Liebe ist nun nicht mehr zu erreichen. Ein Krimi ist zu Ende, wenn der Verbrecher gestanden hat, nachdem der Kommissar ihn überlistet hat.

Eine Präsentation ist zu Ende, wenn Sie die entscheidende Frage Ihres Publikums endgültig und unwiderruflich beantwortet haben.

Übrigens: wissen Sie eigentlich, welche Frage das bei Ihrer Präsentation ist?

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Dr. Michael Gerharz