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Hat da schon mal jemand drüber nachgedacht?

Es ist Wahlkampfzeit in Deutschland. Da geht es kommunikativ um die Wurst. Ganze Städte sind bunt gepflastert mit Werbepostern aller politischen Couleur. Und alle wollen nur eines: Überzeugen. Da sollte man doch meinen, dass sich diejenigen, die jetzt Laternenpfähle, Litfaßsäulen, Plakatwände tausendfach mit Werbebotschaften pflastern, besondere Mühe gegeben haben, um ihre Botschaften glasklar auf den Punkt zu bringen. Doch denkt man nur eine Minute darüber nach, entpuppen sich viele Botschaften als kommunikative Klöpse.

Beispiel 1: Wenn alles wichtig ist, ist nichts wichtig

Seit ein paar Wochen sehe ich jeden Morgen an der Ampel dieses Plakat:

Überzeugend Präsentieren: Wenn alles wichtig ist

Ein Vater backt mit seiner Tochter Pfannkuchen. Darüber der Spruch: „Jede Familie ist anders. Und uns besonders wichtig.“ Wenn man mal beiseite nimmt, dass ein pfannkuchenbackender Vater nicht unbedingt der prägnanteste Repräsentant für unser modernes Familienbild ist (da würde mir spontan eher Multikulti/Patchwork/gleichgeschlechtlich/alleinerziehend einfallen), auch rein sprachlich ist das doch Quatsch. Wie kann mir jemand besonders wichtig sein, wenn alle besonders wichtig sind? Das führt das Wörtchen „besonders“ doch irgendwie ad absurdum. Wenn mir alles besonders wichtig ist, ist mir nichts besonders wichtig.

Nachtrag [2.9.2013] Bevor die zweite Welle an Wahlkampfplakaten gedruckt wurde, hat bei der CDU offenbar doch noch mal jemand nachgedacht. Jetzt heißt es: „Weil Jeder zählt.“ Und so ist es sprachlich auch sinnvoll.

CDU-Wahlplakat: „Weil Jeder zählt.“

Beispiel 2: Bonn an die Macht?

Überall in Bonn begegnet mir dieses Poster:

Überzeugend Präsentieren: Bonn an die Macht?

 

„Bonn in die Regierung – Das geht nur mit uns“. Wirklich? Kann der grüne, schwarze oder rote Abgeordnete für Bonn nicht in die Regierung kommen? Außerdem muss ich mich doch fragen, ob ich einem Kandidaten meine Stimme schenken soll, dessen größte Qualifikation offensichtlich ist, dass er aus der gleichen Stadt kommt wie ich. Auch hierüber hat wohl niemand länger als 30 Sekunden nachgedacht.

Sind Wahlplakate Nonsense-Poster?

Das Satiremagazin „Der Postillon“ titelte vorletzte Woche: „Parteien fassungslos: Wahlplakate von Unbekannten durch inhaltsleere Nonsens-Poster ersetzt“. Ganz so schwarz möchte ich es gar nicht sehen. Rein kommunikativ betrachtet, schlagen sich einige Parteien im Bundestagswahlkampf 2013 gar nicht schlecht. Die Kampagne der Grünen zum Beispiel: Auffällige Bilder zu pointierten Aussagen – davon könnten sich einige andere Parteien mal eine Scheibe abschneiden (übrigens ausführlich diskutiert im Blog Homo Politicus).

Wer sich für einen Blick auf die Wahlkampfplakate der Bundestagswahl 2013 aus gestalterischer Sicht interessiert, sollte übrigens einen Blick auf Achim Schaffrinnas Blog Designtagebuch werfen. In zwei Teilen diskutiert er die Plakate der Bundestagswahl: Teil 1 und Teil 2.

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Keine Ahnung? Kein Problem!

Zur Wissenslücke stehen, statt heiße Luft zu blasen Zuzugeben, dass Sie etwas nicht wissen, stärkt Ihre Glaubwürdigkeit.

Was passiert eigentlich, wenn das Internet voll ist? Bernd Neumann, Staatsminister und Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien, weiß ganz offensichtlich nicht, was er NDR-Reporterin Caro Korneli auf der CDU Mediennacht 2011 darauf antworten soll. Unbeirrt lässt er also eine ganze Bullshitlawine ab und macht sich damit wochenlang zum Gespött der digitalen Nation.

Leider ist Neumann kein Einzelfall. Sie begegnen uns jeden Tag: Dummschwätzer, Schaumschläger und Heiße-Luft-Puster, die glauben, dass sicheres Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit eine sichere Kiste ist; dass Irgendwas-sagen im Zweifel besser ist als vermeintlich Doof-dastehen. Überzeugend ist das jedoch nie.

Mut zur Lücke

Niemand kann alles wissen. Wer geradeheraus sagt, „Tut mir leid, das weiß ich nicht“ oder „Die Frage habe ich jetzt nicht verstanden, würden Sie sie noch einmal neu formulieren?“, bleibt authentisch und ehrlich. Wer um den heißen Brei herumredet, wirkt unglaubwürdig.

Natürlich sollten Sie Ihren Vortrag gut vorbereiten. Aber es kann immer die eine Frage geben, die Sie doch auf dem falschen Fuß erwischt. Wollen Sie trotzdem souverän auftreten und Ihr Publikum für sich gewinnen, ist es viel besser zuzugeben, dass Sie die Antwort nicht wissen, anstatt wild zu rudern.

Hier sind ein paar Ansätze, wie Sie sich verhalten können, wenn Sie eine Frage aus dem Publikum nicht beantworten können:

1. Antworten Sie erst, wenn Sie die Frage wirklich verstanden haben

Herr Neumann strauchelt u.a. deswegen, weil er gar nicht so genau verstanden hat, was Frau Karoli eigentlich meint. Anstatt sofort loszureden, hätte er also zuerst nachfragen sollen: „Die Frage habe ich nicht verstanden. Wie genau meinen Sie das?“ Dann hätte er erkannt, dass es eine Scherzfrage war.

Wer nicht einmal weiß, wozu er sich äußerst, kann ja nur Bullshit erzählen. Achten Sie also darauf, dass Sie die Frage richtig verstanden haben, formulieren Sie sie notfalls in Ihren eigenen Worten neu und stimmen Sie so mit dem Fragenden ab, dass Sie das gleiche meinen. Dadurch zeigen Sie Ihrem Publikum auch, dass Sie die Frage ernst nehmen. Nützlicher Nebeneffekt der Nachfrage: Sie erhalten mehr Zeit zum Nachdenken.

2. Geben Sie Fragen weiter

Halten Sie beispielsweise einen Vortrag vor Fachpublikum, spielen Sie Fragen zurück. Sagen Sie: „Mit diesem Aspekt habe ich mich bisher nicht detailliert beschäftigt, aber glücklicherweise sind wir in einem Raum voller Experten. Darf ich die Frage an das Publikum weitergeben? Wer von Ihnen kann etwas dazu sagen?“

3. Bleiben Sie dran

Manchmal kennen Sie vielleicht nicht die Antwort auf eine Frage, wissen aber, wie Sie sie bekommen können. Sagen Sie dann zum Beispiel: „Das kann ich gerade nicht beantworten. Aber das finde ich gerne für Sie heraus und komme auf Sie zurück.“ Oder: „Ich bringe Sie gerne in Kontakt mit meinem Kollegen XY, er ist ein Spezialist auf diesem Gebiet.“ Versäumen Sie dann nur auf keinen Fall, Ihr Versprechen auch tatsächlich zu halten.

4. Entwaffnen Sie Besserwisser

Lassen Sie sich nicht auf Spitzfindigkeiten und Klein-Klein-Diskussionen ein. Wenn sich ein Fragesteller daran festbeißt, dass Sie etwas nicht wissen, sagen Sie: „Leider haben wir im Moment keine Zeit, diese Frage im Detail zu diskutieren. Vielleicht können wir das gleich in der Kaffeepause weiter besprechen?“ Übrigens: Oft wird ein solcher Besserwisser gar kein Interesse mehr daran haben, das Thema weiter zu vertiefen, wenn niemand anderes zuhört.

5. Nehmen Sie sich Zeit für Ihre Antwort

Steve Jobs war bekannt dafür, vor einer Antwort lange nachzudenken. Je schwieriger die Frage, desto mehr Zeit nahm er sich. Er legte sich in Gedanken seine Antwort zurecht, bevor er zu sprechen begann – und nicht erst, nachdem er bereits die ersten Worte gesagt hatte. Machen Sie sich keine Sorge über die Stille, die entsteht, wenn Sie erst einmal ein paar Sekunden nach der richtigen Antwort suchen. Ihr Publikum wird es Ihnen danken, wenn die Antwort danach fundiert und wohl formuliert ist.

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Eine Bullshit-Checkliste

Sagen Sie manchmal Sätze nur, weil Sie glauben, dass Ihr Publikum Sie hören möchte? Dann sind Sie vielleicht Bullshit-gefährdet.

Der Bullshit unterscheidet sich von der Lüge dadurch, dass er sich nicht um die Wahrheit schert. Wer lügt, der sagt absichtlich etwas falsches. Wer Bullshit redet, der verfolgt irgendein Ziel und möchte dafür einen bestimmten Anschein erwecken. Ob dieser Anschein der Wahrheit entspricht, ist ihm nicht so wichtig.

Bullshitter kennen Sie z.B. in Form des Verkäufers („Also ich kann Ihnen versichern, dass dieses Handy …“) oder des Bewerber („Meine größte Schwäche ist meine Ungeduld“) oder in der Gestalt des Politikers („Es wird mit uns keine Steuererhöhungen geben.“).

Tagesaktueller Bullshit

Bullshit wird im Augenblick auch über die PRISM-Ausspitzelung erzählt, z.B. von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, der uns am Wochenende beruhigen wollte:

Also dieser edle Zweck, Menschenleben in Deutschland zu retten, rechtfertigt zumindest, dass wir mit unseren amerikanischen Freunden und Partnern zusammenarbeiten, um zu vermeiden, dass Terroristen, dass Kriminelle in der Lage sind, unseren Bürgern zu schaden. Natürlich muss immer die Verhältnismäßigkeit eingehalten werden. Um diese Verhältnismäßigkeit geht es.

Ich habe das mit dem Justizminister erörtert. Selbstverständlich. Mit dem Justizminister erörtert. Äh und es war ganz klar: Es geht nicht um ein flächendeckendes Abscannen von, äh, Kommunikation, sondern um eine gezielte, äh, Durchsuchung von einer quantitätsmäßig begrenzten Anzahl, äh, von, äh, Kommunikations-, äh, -strömen. Darum geht es. Und äh, natürlich muss man immer über die Verhältnismäßigkeit reden. Muss immer diese, diese, diese Gewichtung vornehmen.

Ob Friedrich die Wahrheit sagt, können nur ganz wenige wirklich beurteilen. Auf Grundlage von Friedrichs Worten sollten Sie es aber nicht tun. Meint er wirklich „Freund“, wenn er von „unseren amerikanischen Freunden“ spricht? Hat er das wirklich „selbstverständlich mit dem Justizminister erörtert“ oder hat er selbstverständlich einmal der Form halber danach gefragt? Wer ist denn eigentlich „man“? Klar ist, dass er sehr bedächtig nach den Formulierungen sucht – achten Sie einmal darauf, an welchen Stellen die „ähs“ stehen – doch tut er das nicht um der Wahrheit willen, sondern um den „richtigen“ Anschein zu erwecken.

Bullshit-Checkliste

Reden Sie auch manchmal Bullshit? Hier eine kleine Checkliste:

  • Sagen Sie manchmal Sätze nur, weil Sie glauben, dass Ihr Publikum sie hören möchte, an die Sie aber selbst nicht glauben?
  • Sagen Sie oft „man“ statt „wir“ oder „ich“?
  • Sagen Sie oft bestärkende Wörter, z.B. „selbstverständlich“ oder „es ist klar“ oder „sicherlich“?
  • Erzählen Sie oft, wie Sie gerne wären, statt wie Sie tatsächlich sind? Sagen Sie z.B. „man muss“ oder gar „man müsste“?
  • Verwenden Sie gerne Floskeln? Sagen Sie z.B. „innovativ“, obwohl Sie es nicht sind?
  • Argumentieren Sie mit wissenschaftlichen Studien, die Sie gar nicht gelesen haben?
  • Glauben Sie, dass nur 7% der Wirkung eines Vortrags vom Inhalt abhängt?
  • Verwenden Sie Zitate, die Sie gar nicht selbst gelesen oder gehört haben und deren Quelle Sie nicht überprüft haben?
  • Tragen Sie nur die Argumente vor, die Ihren Standpunkt unterstützen, und lassen Sie bewusst Fakten weg, die bei Ihrem Publikum Zweifel aufkommen lassen könnten?
  • Sprechen Sie oft im Konjunktiv? Vielleicht damit Sie nachher sagen können, Sie hätten ja bewusst im Konjunktiv formuliert?
  • Versuchen Sie, Ihr Ergebnis beeindruckender zu machen, indem Sie Ihre Diagramme hübsch machen?
  • Finden Sie, das sei doch alles ok, weil es die anderen auch so machen?

Mindestens einmal „ja“ geantwortet? Denken Sie doch mal drüber nach.

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Claptrap – Wie man Standing Ovations bekommt

Politiker bei einer Rede vor Publikum

Wie bitte? Politiker tricksen uns aus? Sie verführen uns zum Applaus mit einfachen Methoden?

Ja, das ist wohl so – und es lässt sich statistisch nachweisen, u.a. von Max Atkinson, ehem. Wissenschaftler an der University of Essex. In seinem Buch Our Masters’ Voice analysiert er zahlreiche Redner nach Hinweisen, die die Reaktion des Publikums auf Worte und Gesten des Redners charakterisieren.

Das Buch hat seinerzeit (1984) den britischen Sender ITV herausgefordert, diese Erkenntnisse zu testen. In der Dokumentation Claptrap sollte Atkinson der Hausfrau Ann Brennan, die zuvor noch nie eine öffentliche Rede gehalten hatte, diese Methoden beibringen und ihr zu einer begeisternden Rede auf einem Parteitag verhelfen. Der Film ist auch heute noch sehenswert und liefert einige interessante Hinweise auf die Effektivität rhetorischer Mittel:

Ann Brennan: „Im Grunde genommen sagen Sie in diesem Buch, dass Politiker Tricks verwenden, um Menschen wie mich zum Applaus zu bringen?“
Max Atkinson: „Ja… und noch mehr. Es gibt mittlerweile sogar ein Wort dafür: Claptrap […] es gibt verschiedene Dinge, die sie immer und immer wieder tun, unmittelbar bevor das Publikum zu applaudieren beginnt.“

In dem Filmausschnitt zählt Atkinson insbesondere drei Stilmittel auf, die in seinen Analysen regelmäßig Applaus hervorriefen:
Kontrast/Antithese: zwei Gegensätze in Beziehung setzen, z.B. „Ask not what your country can do for you, ask what you can do for your country“.
3er-Liste: eine dreiteilige Liste aufzählen, z.B. „Einigkeit, Recht und Freiheit“.
Set ’em up and knock ’em down: erst die Gegenposition beschreiben und anschließend erklären, dass sie nichts taugt.

Ann Brennan: „Machen Politiker das bewusst?“
Max Atkinson: „Nun, ich glaube, dass die erfolreichen es instinktiv tun.“

Den ganzen Film, einschließlich Ann Brennans Rede, können Sie in Max Atkinsons Blog ansehen. Das zugehörige Buch Our Masters’ Voice ist übrigens bisweilen etwas schwerer verdaulich. Leichter zugänglich dürfte sein neueres Buch Lend me your ears bzw. die Kurzversion Speech-making and Presentation made easy.

[Übrigens: Vielen Dank an dieser Stelle für die immer wieder zahlreichen Links und Tipps meiner Leser.]

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Wunsch und Wirklichkeit: Wir freuen uns sehr

Bei Wahlen gibt es Gewinner und Verlierer. Gewinner freuen sich, Verlierer ärgern sich; und wer sich bei der gestrigen Europawahl als Gewinner oder Verlierer gefühlt hat, lässt sich aus diesen Bildern leicht erahnen:

Reaktionen zur Europawahl: Ronald Pofalla, Horst Seehofer, Franz Müntefering, Guido Westerwelle, Jürgen Trittin

Nun ist „nach der Wahl“ immer auch „vor der Wahl“ – und das gilt insbesondere für diese Europawahl, die so kurz vor der Bundestagswahl stattgefunden hat. Entsprechend haben die Parteivorderen versucht, sich schon mit der Interpretation ihrer Ergebnisse in Stellung für den jetzt beginnenden Bundestagswahlkampf zu bringen. Und dabei müssen aus Verlierern auch schon einmal tapfere Optimisten werden, die an die eigene Stärke glauben. Insgesamt klingt das dann so:

  1. “Wir freuen uns über das Ergebnis bei der Europawahl.” – Ronald Pofalla, CDU
  2. “Wir sind wieder da.” – Horst Seehofer, CSU
  3. “Das ist weit hinter dem, was wir erhofft hatten; das ist enttäuschend.” – Franz Müntefering, SPD
  4. “Das ist eine herausragende Grundlage des Zuwachses für weitere herausragende Wahlergebnisse.” – Guido Westerwelle, FDP
  5. “Diese Wahl ist auch eine Ansage für den Herbst. Die Ansage lautet: Diese Wahl ist nicht entschieden.” – Jürgen Trittin, Die Grünen

Vergleichen Sie das einmal mit den Bildern. Einige stimmen perfekt überein, aber bei mindestens einem Statement gibt es eine gravierende Diskrepanz zwischen den Worten und der Körpersprache. Wem nehmen Sie sein Statement ab und wem nicht?

Mehrabians Körpersprache-Regel mag oft fehlinterpretiert worden sein, hier hilft sie jedoch weiter: Wer über Gefühle oder Meinungen spricht, der verrät mit seiner Stimme und Körpersprache erheblich mehr als mit seinen Worten.

Links zu dem Artikel
Wikipedia-Artikel zur Europawahl 2009
Reaktionen der Parteien (ZDF-Mediathek)
Der Draht zum Publikum

Geschichten, Emotionen, Einfühlungsvermögen – ein Lehrstück

 

Barack Obama in seinem 30-minütigen Wahlwerbespot

Gestern abend hat Barack Obama im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf einen 30-minütigen Wahlwerbespot ausgestrahlt. Ohnehin hat er mit seinem Wahlkampf Maßstäbe gesetzt was den professionellen Einsatz von Medien und die Inszenierung von Auftritten (=Präsentationen) angeht. Aber mit diesem Spot (in den amerikanischen Medien „Infomercial“ genannt) hat er eine neue Dimension eröffnet.

Na klar, dass Geschichten berühren, dass konkrete Bespiele greifbarer sind als Allgemeinplätze, dass Zitate glaubwürdiger sind als Selbstbekundungen, all das war auch vorher schon bekannt. Aber so konsequent umgesetzt habe ich es selten gesehen. Wie weit entfernt ist das von den typischen Sprüchen („wir dürfen uns jetzt nicht verzetteln“, „wir liefern Ideen statt leerer Versprechen“), die uns in den meisten Wahlkämpfen so langweilen.

Barack Obama in seinem 30-minütigen Wahlwerbespot

Obama ist in dem Spot so gekonnt in Szene gesetzt, dass man den Eindruck hat, er spreche nicht zu einer Kamera, sondern zu einem selbst. Unterstützt wird das durch die zahlreichen Einblendungen, die ihn im Gespräch mit anderen Menschen zeigen. In diesem Video ist Obama nicht jemand, der ganz weit weg in Washington, sondern mitten unter „uns“ ist; und er wirkt als jemand, der die Probleme der Menschen versteht. Die Geschichten von Menschen „nebenan“ gehen durchaus unter die Haut, man kann sich in diese Leute hineinversetzen.

Wie fundiert und glaubwürdig Obamas Aussagen letztlich sind, vermag ich nicht zu beurteilen (und muss es ja auch gar nicht). Aus Präsentationssicht ist es jedoch ein glänzendes Beispiel für die Wirkung einer emotionalen Ansprache, für das Einfühlungsvermögen, das man mit Geschichten auslöst und für die Prägnanz konkreter Aussagen. Inspirierend!

Links zu dem Thema
Offizielle Webseite von Obama – selbst ein gutes Beispiel klarer Kommunikation
Kommentare auf der YouTube-Seite des Videos
Was bleibt – Obamas Video ist eine perfekte Umsetzung der sechs Prinzipien aus dem Buch

 

Zwei Perlen aus dem amerikanischen Präsidenschaftswahlkampf

Dass der amerikanische Wahlkamp vor allem auch Show und Entertainment ist, daran haben wir uns mittlerweile gewöhnt. Ein wahres Feuerwerk brennt Rick Davis, der Chef-Wahlkämpfer von John McCain, in einer Präsentation über McCains Wahlkampfstrategie ab. Ich habe sie nicht gezählt, aber Davis gehen bis zum Schluss die Animationseffekte nicht aus. Da öffnen sich Türen, fliegen Kometen über den Bildschirm, es explodieren Folien, funkeln Sterne und vieles mehr. Dass die Präsentationssoftware (Keynote) all das beherrscht, heißt aber noch lange nicht, dass man alles auch in einer Präsentation unterbringen muss. Erstaunlich, dass man vor lauter Effekten überhaupt noch etwas von der Präsentation mitbekommt:

Pasted Graphic 13Pasted Graphic 8
Pasted Graphic 2Pasted Graphic 3

Das andere Extrem zeigt uns David Plouffe, Chef-Wahlkämpfer von Barack Obama in seiner Kampagnenpräsentation für die Vorwahlkämpfe; klassische Death-by-PowerPoint-Folien mit überfüllten Textfolien, unübersichtlichen Diagrammen und einem viel zu aufdringlichen Folienhintergrund. Unklar bleibt, wie Plouffe es geschafft hat, seine offenbar erfolgreiche Botschaft dennoch in die Köpfe seiner Helfer zu bekommen.

Pasted Graphic 14Pasted Graphic 17

Ich bin gespannt, wann hierzulande die ersten Kanzlerkandidaten ihre PowerPoint-Präsentationen auspacken.

[gefunden im Extreme Presentation Blog]

Kennedy und die Folien

Beispielfolie aus der Lehrer-Online-Unterrichtsreihe zu Kennedys Antrittsrede

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum Sie eigentlich Folien für Ihre Vorträge erstellen? Ich bekomme darauf z.B. folgendes zu hören: „das ist bei uns so üblich“, „das macht jeder so“, „der Chef will es so“. Offenbar ist PowerPoint heute so verbreitet, dass Folien gar nicht mehr hinterfragt werden.

Der Auslöser meiner Frage ist eine Präsentation, auf die Timo Off von Geistesblitz mich aufmerksam gemacht hat. Die Präsentation dient Lehrern als Auftakt einer Unterrichtsreihe über die Antrittsrede von John F. Kennedy und ist auf der Webseite lehrer-online verfügbar. Es ist schon fast ironisch, dass diese uninspirierte Präsentation ausgerechnet Kennedys großartige Rede behandelt, der damals ja ganz ohne Folien auskam.

Beispielfolie aus der Lehrer-Online-Unterrichtsreihe zu Kennedys Antrittsrede

Wozu dienen die Folien dieses Lehrervortrags? Sie enthalten im Wesentlichen Faktenwissen, das den Schülern als sog. Vorentlastung mit auf den Weg gegeben werden soll, bevor sie Kennedys Rede anaylsieren. Aber unterstützen die Folien das in irgendeiner Weise?

Natürlich enthalten sie die relevanten Fakten; aber ein Mehrwert gegenüber einem Handout, das gemeinsam besprochen wird, oder gegenüber einem Tafelbild, das die Informationen in angemessenem Tempo entwickelt und das die Schüler in ihre Hefte übertragen, ist zumindest zweifelhaft. Solche Textfolien sind sogar häufig eher kontraproduktiv.

Die entscheidende Frage lautet denn auch: Ist es überhaupt nötig, den Inhalt dieser Folien in ein PowerPoint-Korsett zu pressen? Ich bin mir da nicht so sicher. Aber wenn man es denn unbedingt möchte, dann können Folien auf einer ganz anderen Ebene das Verständnis der Schüler stärken.

Mit reinen Fakten ist es kaum möglich, die emotionale Bedeutung von Kennedys Rede im Speziellen und den amerikanischen Antrittsreden im Allgemeinen zu veranschaulichen. Aber gerade das ist die Stärke von Folien: eine wirkungsvolle Bildersprache. Um zu zeigen, was möglich wäre, habe ich 4 Folien aus dem Vortrag radikal überarbeitet, dabei den Text fast völlig eliminiert und passende Bilder eingefügt. Wenn der Lehrer hierzu eine fesselnde Geschichte über die Bedrohungen und Unsicherheiten der damaligen Generation erzählt, dann kann er die Schüler darin unterstützen, ein Gefühl für die Tragweite von Kennedys Rede in ihrem historischen Kontext zu bekommen.

Genau dazu sind Folien nämlich da: das Verständnis der Zuhörer zu unterstützen und die Kernaussagen einprägsamer zu machen. Diese Antwort höre ich übrigens erstaunlich selten auf die Frage „Warum Folien?“

Beispielfolie aus der Lehrer-Online-Unterrichtsreihe zu Kennedys AntrittsredeVerbesserungsvorschlag zur Lehrer-Online-Unterrichtsreihe zu Kennedys Antrittsrede
Beispielfolie aus der Lehrer-Online-Unterrichtsreihe zu Kennedys AntrittsredeVerbesserungsvorschlag zur Lehrer-Online-Unterrichtsreihe zu Kennedys Antrittsrede
Beispielfolie aus der Lehrer-Online-Unterrichtsreihe zu Kennedys AntrittsredeVerbesserungsvorschlag zur Lehrer-Online-Unterrichtsreihe zu Kennedys Antrittsrede
Beispielfolie aus der Lehrer-Online-Unterrichtsreihe zu Kennedys AntrittsredeVerbesserungsvorschlag zur Lehrer-Online-Unterrichtsreihe zu Kennedys Antrittsrede

Links zu dem Thema:
Wie albern Kennedys Rede mit Folien wäre: 1, 2, 3, 4
Zahlen oder Bilder?

Lästern kann jeder

Daumen runter, Daumen hoch

Lästern kann jeder. Aber wenn’s um’s besser machen geht, darf man dann auch nicht kneifen. Tu’ ich auch nicht.

Nachdem ich kein gutes Haar an Dr. Chatzimarkakis Präsentation auf dem CeBIT-RFID-Forum gelassen habe, möchte ich in diesem Artikel zeigen, wie man es besser machen kann.

Ich beschränke mich aber auf einen Aspekt seines Vortrags, statt den gesamten Vortrag zu besprechen – schließlich wollen wir uns ja auf das Wesentliche konzentrieren. Dazu greife ich mir den Mittelteil des Vortrags heraus, in dem es um eine Workshop-Reihe geht, die die EU zur Meinungsfindung nutzen möchte, um ihre Entscheidungen zum RFID-Thema vorzubereiten. Ich schlage vor, Sie lesen die entsprechenden Folien einmal zügig durch und überlegen dann, ohne erneut auf die Folien zu schauen, was bei Ihnen hängen geblieben ist.

Beispielfolie 1Beispielfolie 2Beispielfolie 3Beispielfolie 4Beispielfolie 5Beispielfolie 6

Was sind eigentlich die wesentlichen Aussagen auf den Folien? Offenbar gibt es fünf Workshops, die sich mit verschiedenen Aspekten des RFID-Themas beschäftigen sollen. Die Workshops legen einen Bericht vor, der in die Beschlüsse zum europäischen Forschungsförderprogramm einfließt (dem framework programme 7, FP7). Das zumindest sollten Sie behalten haben. Idealerweise kennen Sie noch die Kernthemen der Workshops, denn damit haben Sie einen guten Überblick über die Tragweite des RFID-Themas.

Diese Informationen kann man im Prinzip sogar mit einer einzigen Folie transportieren, die vielleicht so aussehen könnte (wie viel behalten Sie nun?):

workshop series

Um zu dieser Folie zu gelangen, habe ich folgendes getan:

  1. Der ursprüngliche Folienhintergrund lenkt vom Text ab, er ist viel zu unruhig und vermindert den Kontrast. Der sehr kleine Text ist dadurch schlechter zu lesen. Ich habe den Hintergrund gelöscht und durch einen dezenten einfarbigen Hintergrund ersetzt, der einen guten Kontrast zum Vordergrund erlaubt und sich nicht selbst in den Vordergrund drängt.
  2. Die wesentliche Information ist in sehr großer Schrift hervorgehoben. Es ist sofort sichtbar, dass es eine Workshop-Reihe geben wird.
  3. Die langweilige Arial-Schrift habe ich durch die plakativere und modernere Haettenschweiler ersetzt. Das passt auch stilistisch besser zu dem Technologie-Thema RFID.
  4. Der ursprüngliche Text ist vollständig von der Folie verschwunden. Die wesentlichen Punkte, die beim Zuhörer hängen bleiben soll, sind aufgeführt, mehr nicht. Alle weiteren (nicht so wichtigen) Details können mündlich gegeben werden, oder auf weiteren Folien besprochen werden (s.u.).
  5. Den fünf Workshops habe ich je ein sprechendes Icon zugeordnet, damit die jeweilige Thematik auch visuell verstanden wird. Die Icons stammen von iStockphoto (verwenden Sie keine billigen Standardcliparts).
  6. Die Titel der Workshops habe ich auf ein einprägsames Schlagwort reduziert.

Um die Informationen noch besser einzuprägen, kann man zusätzlich je eine Folie zu den fünf Workshops spendieren. Das hat Dr. Chatzimarkakis auch gemacht, doch unterstützen seine Folien durch ihre Informationsfülle nicht die Einprägsamkeit seiner Worte. Besser wäre es vielleicht so:

applicationsresearchprivacystandardsspectrumZusammenfassung

In der ursprünglichen Version wurden auf jeder Folie sehr viele Informationen verpackt, die die Zuhörer ohnehin nicht behalten können, und die daher vom Wesentlichen ablenken. Stattdessen habe ich folgendes getan:

  1. Icon und Schlagwort von der Übersichtsfolie werden sehr groß platziert.
  2. Das Icon dient als visuelle Erinnerungshilfe.
  3. Das Schlagwort gibt den Kern des Workshop-Themas wieder. Den genauen Titel kann man mündlich geben und im übrigen auf Unterlagen verweisen.
  4. Statt vieler Details wird zu jedem Workshop eine Kernaussage auf die Folie geschrieben, um dem Schlagwort eine konkretere Bedeutung zu geben. Diese dient jedoch nur als Gedankenstütze und kann daher entsprechend klein gedruckt werden (sollte aber mit immer noch 26pt auch aus größerer Entfernung noch gut lesbar bleiben). Als Schriftart habe ich Helvetica Neue, fein, verwendet.
  5. Die letzte Folie fasst das Gesagte noch einmal zusammen und gibt einige Daten als Zusatzinformation.

Alle weiteren Informationen können problemlos mündlich gegeben werden, während die Zuhörer mit den plakativen Folien eine gute Gedankenstütze erhalten, mit denen Sie das Gesprochene verknüpfen können. Die Folien lenken nicht vom Gesprochenen ab, sondern unterstützen optimal das Verständnis. Die Icons veranschaulichen das Thema des Workshops zusätzlich, sodass nicht nur Text, sondern auch visuelle Information im Gedächtnis bleibt.

Natürlich bietet es sich an, einen Flyer für die Workshop-Reihe dabei zu haben, der weitere Informationen enthält. Diese können dann durchaus ausführlicher sein und auch über das Gesagte hinausgehen. Die Zuhörer nehmen dann gleich zwei Dinge mit nach Hause. Die Erinnerung an einen interessanten Vortrag und eine gedruckte Information, zu der Sie durch den Vortrag die richtigen Assoziationen haben.

Zum Abschluss noch einmal die Frage: wenn Sie sich die beiden Foliensätze noch einmal ansehen, welcher vermittelt die Informationen einprägsamer?

Natürlich sind meine Vorschläge nicht die einzige Möglichkeit, die Folien zu verbessern, es gäbe unzählige weitere (und sicher auch noch bessere). Die Vorschläge machen aber anschaulich, was schon mit wenig Aufwand möglich ist, ich habe keine 20 Minuten dafür benötigt.

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Wenn alles wichtig ist, ist nichts wichtig

Im letzten Artikel habe ich diese Abbildung verwendet, um zu verdeutlichen, wie in vielen Präsentationen die Kernbotschaft zwischen viel zu vielen Details versteckt wird. Wahrscheinlich haben Sie gedacht: ok, Prinzip verstanden, aber das Beispiel ist ein bisschen extrem, so was macht doch keiner. Irrtum.

So was macht doch einer, z.B. Dr. Jorgo Chatzimarkakis, Mitglied im Ausschuss für Industrie, Forschung, und Energie des EU-Parlaments, auf dem RFID-Forum der CeBIT 2006.

RFIDs sind kleine elektronische Etiketten, die per Funk ausgelesen werden können und so beispielsweise eine automatische Lagerverwaltung oder Kassen ohne Kassierer ermöglichen könnten. Chatzi, wie er sich selber nennt, hielt dazu einen Vortrag über mögliche EU-Regulierungen. Ein Auszug seiner Folien:

Beispielfolie 1 von Dr. ChatzimarkakisBeispielfolie 2 von Dr. ChatzimarkakisBeispielfolie 3 von Dr. ChatzimarkakisBeispielfolie 4 von Dr. ChatzimarkakisBeispielfolie 5 von Dr. ChatzimarkakisBeispielfolie 6 von Dr. Chatzimarkakis

Wer sich die Mühe macht, die Stichpunkte auf allen 14 Folien zu zählen, kommt auf die unglaubliche Zahl von 79! Alle stehen gleichwertig nebeneinander. Es gibt praktisch keine Hervorhebungen, keine visuellen Hilfestellungen, keine Ordnung außer der Untergliederung des Vortrags auf die verschiedenen Folien.

Auch an den Folien erkennt man nicht, ob sie wichtige Informationen transportieren oder lediglich Zusatzinformationen liefern. Alle Folien verwenden den gleichen nutzlosen Hintergrund, der das Layout sehr unruhig und den Text schwer leserlich macht.

Natürlich kann man einwenden, dass es ja auf den Vortrag ankommt und die Folien nur unterstützenden Charakter haben. Aber: diese Folien unterstützen nicht, sie schaden höchstens. Oder wie viele Vortragende haben sie schon gesehen, die mit solchem Folienmaterial einen guten Vortrag halten? Garr Reynolds von Presentation Zen formuliert das in seinem Buch treffend:

Niemand kann mit Folie auf Folie voller Stichpunkte einen guten Vortrag halten.

Ach ja: um Dr. Chatzimarkakis ein wenig in Schutz zu nehmen. Die Folien zu den übrigen Vorträge auf dem RFID-Forum sehen zwar mitunter ein wenig schicker aus, sind aber nicht wirklich aufgeräumter, und zwar fast ausnahmslos.

Weitere Links zu dem Thema:
Homepage von Dr. Jorgo Chatzimarkakis (mit Chatzi-News)
RFID-Forum der CeBIT 2006
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Picture of Dr. Michael Gerharz

Dr. Michael Gerharz